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DAS FREMDE DEUTSCHLAND UND DAS EIGENE ROM
PEDANTENKRITIK, KULTURKRITIK UND
KLASSIZISTISCHE ROM-VISIONEN BEI J.J. WINCKELMANNMARTIN DISSELKAMPUniversitat Gieen, Fachbereich 05, Institut fur Germanistik, Neuere deutsche Literatur,Komparatistik, Otto-Behaghel-Strae 10, 35394 Gieen, DeutschlandE-mail: [email protected] article takes a selection of the letters of Johann Joachim Winckelmann as its
starting point in order to analyse the dialectic of the tension in his work between the
cultural reality of Germany, which is perceived to be inferior, and the ideal alterity of
Rome. Winckelmann portrays the insignicance of the cultural setting within which his
academic socialisation took place in other words, the lack of aesthetic oerings in the
city and university of Halle with such scathing accuracy that this connoisseur of ne
art who was trained in Rome seems to become a stranger and exile in his own time and
place. In contrast to this, the imaginary, classical art-world of Rome appears to be the
natural home of aesthetic scholars. The Roman ideal, however, does not replace Halle
and the German academy it remains instead the measure by which both are judged.
This interaction between ones own present reality and alterity opens up various possibilities for a gain in self-knowledge. Moreover, the destruction of the present contains
a subtle salvation for the same.Allenthalben sieht sich die Aufklarung mit einer doppelten Bewahrungsprobe konfrontiert: Um an der Idee eines allgemeinen Wirklichkeitszusammenhangs, an teleologischen Modellen der Geschichte
und an dem Anspruch auf die Moglichkeit koharenter Lebensorganisation festhalten zu konnen, mu sie allgemeingultige, uberall und
jederzeit zutreende Wahrheiten formulieren. Der Begri der Aufklarung schliet die Forderung nach Axiomatik, Idealitat und Universalitat ein, wie sie letztlich in den Konzepten von Natur und
Vernunft eingelost zu sein scheint. Doch kann die Aufklarung die
Geltung solcher Konzepte nicht mehr voraussetzen, sondern mu sie
uberprufen und an Erfahrungstatbestanden messen. Den philosophischen Systemen stehen deshalb Reisebeschreibungen, den moralischen
Normen biographische Erkundungen, den teleologischen Perspektiven
die Entfaltung historischer Vielfalt, dem Utopischen das SatirischeNeophilologus 88: 569585, 2004.
2004 Kluwer Academic Publishers. Printed in the Netherlands.570gegenuber. Die Aufklarung verfahrt nach der einen Seite normsetzend,
nach der anderen empirisch beobachtend.1Die Idealforderungen, die die Aufklarung an die Wirklichkeit stellt,
haben die Macht, das praktisch Unzulangliche im scharfen Kontrast
sichtbar werden zu lassen. Fur eine solche Selbsterkenntnis im Licht
allgemeingultiger Prinzipien halt die Aufklarung ein Modell bereit: