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"La machine reste une des zones obscures de notre civilisation."
(Gilbert Simondon)
Seit der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts und insbesondere seit der allgemeinen Kybernetisierung, die die Struktur der Wissenschaften, des Politischen, des Ökonomischen und des Sozialen nach 1950 erfaßte, läßt sich eine Konfrontation der Codes und Schematismen einer prätechnologischen Ordnung mit der technologischen Realität einer zunehmend komplexen Regelungskultur wahrnehmen. Zu ihren Signaturen gehört auch die extreme Fragwürdigkeit, wenn nicht das Zerbersten überlieferter philosophischer Unterscheidungen und Kategorien, allen voran der basalen Differenzen von téchnê und épistêmê, téchnê und physis sowie téchnê und lógos, die ursprünglich zentral für die Instituierung der Philosophie selbst waren. Das Aufeinanderprallen von vortechnologischen Bedeutungs- und Idealisierungsregimen mit den technologischen Tatsachen, in dem sich die Frage nach der Technizität einklagt und das Problem des ontologischen Status von Maschinen neu aufgeworfen zu werden verlangt, hat sowohl technophobe wie technophile Diskurse, antitechnisches Ressentiment wie Technofetischismus hervorgebracht, die die Maschine entweder als großen Gegenspieler des Menschen, der Kultur, der Lebenswelt sowie von Humanität schlechthin ansetzen oder umgekehrt das neue Mythologem der denkenden, wollenden, lebendigen Maschine und den Roboter als Hauptdarsteller und Emblem eines technoiden Illusionstheaters inaugurieren. Beide Positionen aber sind letztlich nur Ausdruck eines Unvermögens, die technologische Bedingung zu denken und sich dem auszusetzen, was Technizität, was Sein und was Denken im Zeitalter von Steuerung und Information heißen könnte. Dies zu unternehmen, das ist die zeitgenössische Aufgabe der Philosophie.
1.
Max Bense fand früh, schon 1951 und das heißt im Beginn der kybernetischen Umstellung, eine weitsichtige Formel für diese große Transformation von der Technik zur Technologie, deren philosophischer Einsatz, in Übereinstimmung mit der konstitutiven Technikvergessenheit der Philosophie, bis heute nur erahnt ist. Er attestierte das Ende der Technik als Oberflächenphänomen und sprach vom Anbruch der ?Tiefentechnik", d.h. von deren ?Eindringen in die Feinstrukturen der Welt". Die Kybernetik, die für ihn den Hauptprotagonisten dieser Entwicklung darstellte, charakterisierte er als ?Erweiterung" der neuzeitlichen Technik ?unter die Haut der Welt".2 In seinem Vorwort zur deutschen Übersetzung von Louis Couffignals Les Machines à Penser vermutete Bense den Anbruch einer ?neuen Stufe der Technischen Welt oder der Technischen Zivilisation", der mit der Rechenmaschine stattfindet. Eine ?neue Seinsart der Technik" schien sich abzuzeichnen, sie gewann ?einen neuen Sinn."3 Die Deutungshoheit darüber sollte von der Metaphysik auf die neu zu konzipierende ?Metatechnik"...