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Die transgressiven Masken des neoreaktionären Technofuturismus
Am 12. August 2017 war beim Aufmarsch in Charlottesville, Virginia, neben NS-Fahnen, Deus-Vult- und Eisernen Kreuzen, Swastiken und Wotansknoten auch die „Nationalflagge von Kekistan"1 zu sehen. Dies legte eine ideologische Zugehörigkeit offen, die die US-amerikanische AltRight-Bewegung bisher (zum Teil) verborgen hatte. Ironie und Faschismus geben ein seltsames Paar ab. Dem Faschismus, egal wie unmoralisch, ist es generell ernst: Disziplin, Hingabe, Fanatismus, nichts davon verträgt sich auch nur annähernd mit Bonmots oder dem für ironische Kommentare erforderlichen Maß an kritischem Bewusstsein. Der rasante Aufstieg der rechtsextremen Bewegung der sogenannten Alt-Right wurde nichtsdestotrotz von ihrem „transgressiven" bzw. politisch unkorrekten Anstrich befeuert und ihrer zutiefst sarkastischen respektive ätzenden Geisteshaltung.
1 Kekistan ist ein fiktives Land, das von Nutzerinnen auf dem /pol/-Board von 4chan erfunden wurde. Seine Flagge ähnelt der Reichskriegsflagge mit einem 4chan-Logo in der oberen linken Ecke.
„Die übliche Online-Masche", so die Kommentatorin Angela Nagle, „bestand darin, mit dem Nazismus zu kokettieren, sich dann aber über jeden lustig zu machen, der diese Geste für bare Münze nahm." Diese Strategie Faschismus stets durch seinen geisterhaft-synkretistischen Charakter auszeichnete und extrem geschickt darin war, „gemeinhin als unvereinbar geltende Positionen"6 zusammenzubringen.
6 Vgl. Alexander Reid Ross, Against the Fascist Creep. AKPress 2017.
Laut Imageboard-Legenden gingen der „Cult of Kek" und „Pepe der Frosch" aus einer numerologischen Obsession hervor, die Nutzerinnen zu der Annahme veranlasst hatte, eine Reihe numerischer Zufälle sei auf göttliche Fügungen zurückzuführen. Pepe der Frosch wurde so zum Gerade die Darstellung sozialer Interaktion als Kampf des Kompetitiven gegen das Kooperative macht den Übergang zu Egoismus und Nihilismus so leicht, während die durchlässigen Grenzen zwischen Weißer Vorherrschaft, der extremen Rechten, konservativen und sogar liberalen Weltanschauungen das Einschleichen von faschistischen Tropen in den Mainstreamdiskurs begünstigen. Richard J. Herrnsteins und Charles Murrays The Bell Curve: Intelligence and Class Structure in American Life (1994), das Standardwerk des „wissenschaftlichen Rassismus" (aka Rassenrealismus), wurde ursprünglich in der Zeitschrift kombiniert glaubhafte Abstreitbarkeit mit einem nonkonformistischen, gegenkulturellen Flair, was für szeneübergreifende Attraktivität sorgte. Als die Londoner Galerie LD50 nach ihrer durch Proteste erzwungenen Schließung wiedereröffnete,2 glichen die dort unter den Alias TV KWA und Kantbot gezeigten Videos den weithin bekannten Visuals von Hito Steyerls Liquidity Inc. und dem flippigcampigen Content von Adult Swim - beide bei einem linksgerichteten Publikum sehr...