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Neue Arten der Kriegsführung und die Verkehrung der Opfer- und Täterrollen
2008 stellte die israelische Armee fIDF) ein neues Waffensystem namens »See-Shoot« vor. Der ursprüngliche Zweck des Systems bestand ausschließlich im Beobachten. Ein einfaches Rundumsichtgerät bestehend aus einer Kamera auf einer runden Stahlkonstruktion wurde an mehreren Posten entlang der Sperranlage um den Gazastreifen aufgestellt, um Aktionen in der Nähe der Mauer zu überwachen. Bei verdächtigen Aktionen schickten die Beobachterinnen im Kontrollraum (weibliche Soldatinnen des Geheimthenstes) Infanterieeinheiten vor Ort.
Dann jedoch wurde das System erweitert. Die Kamera wurde mit einem ferngesteuerten Maschinengewehr ausgestattet, wodurch die Beobachtenden nun auch auf Sicht schießen konnten. Aufgrund des permanenten Bedarfs der Armee, sofort reagieren zu müssen, sollte die Zeit zwischen Beobachtung im Kontrollraum (»see«) und der Reaktion vor Ort (»shoot«) minimiert werden, das Militär sollte nunmehr gleichzeitig beobachten und zerstören können.
2009 kam der israelische Film »Lebanon« (Drehbuch und Regie von Samuel Maoz) heraus, der den Gefechtsschock einer kleinen Panzereinheit im ersten Krieg Israels im . > : , Libanon ?982 bis ?985 zum Thema hat. »Lebanon« nutzt den Blickwinkel aus dem Inneren der Kriegsmaschinerie, der Film ist zum Teil durch das Periskop des Panzers aufgenommen. Hier wurde im Kino nachgeahmt, was »See-Shoot« in Wirklichkeit macht, nämlich die direkte Verschmelzung von Beobachten und Zerstören. »Lebanon« gehört zu einer ganzen Welle israelischer Filme, die die Erinnerung an den ersten Libanonkrieg thematisieren und von denen »Beaufort« (Joseph Cedar, 2007) sowie »Waltz with Bashir« (Ari Folman, 2008) die bekanntesten sind. All diese Filme gehören einem Genre an, das in Israel spöttisch »Shooting and Crying« genannt wird und bei dem gewöhnlich die IDF kritisch dargestellt wird, weil sie ihre jungen Soldatinnen traumatisiere. Umgekehrt werden diese Filme oft dafür kritisiert, dass sie Täter zu Opfern machten, was in gewisser Weise nur eine Fortsetzung des Kriegs unter dem Deckmantel der Selbstbezichtigung sei. »Lebanon« ist diesbezüglich ein Musterbeispiel, da die im Film dargestellten Soldatinnen während des Feuerns tatsächlich dauernd weinen. Das...